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Wenn Rockefeller mit Rothschild. . .

Von Peter Muzik

Wirtschaft
Oberhäupter zweier mächtiger Dynastien: Jacob Rothschild (l.) und David Rockefeller. reu, pa

Für globale Hochspannung sorgt, wenn beide Gelddynastien etwas aushecken.


Die Gallionsfiguren der schillerndsten Gelddynastien haben sich nach einem halben Jahrhundert persönlicher Bekanntschaft verbündet - der 97-jährige US-Amerikaner David Rockefeller und der 21 Jahre jüngere Brite Jacob Rothschild: Die Rockefeller Financial Services, Muttergesellschaft des Vermögensverwaltungskonzerns Rockefeller & Co., gehört nun zu 37 Prozent der RIT Capital Partners, dem seit 1988 börsennotierten Investmenttrust des Londoner Top-Bankers.

Die Allianz führt zwei Clans zusammen, die trotz unterschiedlicher Herkunft und wechselhafter Familienchroniken viel gemeinsam haben: Die Rockefellers, deren Erfolg mit dem einstigen Tellerwäscher John D. Rockefeller in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann, werden als einflussreiche Finanzgiganten in den Staaten ebenso bewundert und angefeindet wie die aus Deutschland stammenden Rothschilds.

Deren Patriarch Mayer Amschel Rothschild hatte 1765 als Münzenhändler und zwei Jahrzehnte später als Bankengründer den Grundstein für ein Firmenimperium gelegt. Seine Söhne schwärmten nach England, Frankreich, Österreich und Italien aus, um weitere Privatbanken zu etablieren. Die jüdische Familie brachte es alsbald zum größten Privatvermögen der Welt, das mit der Zeit allerdings auf die Linien aufgeteilt wurde. 1913 galt bereits US-Ölmilliardär John D. Rockefeller, dessen Standard Oil Company kurz zuvor ihrer Machtfülle wegen zerschlagen worden war, als reichster Mann.

Die Rockefellers haben sich mit spektakulären Immobilienprojekten wie dem Rockefeller Center oder dem Museum of Modern Art in New York in Szene gesetzt, aber auch Unis (wie Harvard oder Stanford) gesponsert oder (wie Chicago) gegründet. Nach ihnen sind Foundations, Funds, Colleges, Art Centers, Halls, Parks, Institute und sogar eine Universität in New York benannt - doch trotz ihrer philanthropischen Ader wurde ihr Wirken wegen nicht immer zimperlicher Geschäftsmethoden und immenser Machtfülle oft skeptisch beäugt.

Den Rothschilds erging es um nichts besser: Sie wurden im Zuge der Industriellen Revolution zu einem Inbegriff des profitsüchtigen Kapitalismus. Vom deutschen Poeten Heinrich Heine stammt etwa der Satz: "Geld ist der Gott unserer Zeit - und Rothschild ist sein Prophet."

Die alsbald in fünf Zweige zersplitterte Familie, die in Wien und Italien wenig Glück hatte, dafür in London und Paris umso erfolgreicher agierte, profitierte als Finanzier europäischer Staaten etwa von den Napoleonischen Kriegen. Sie konzentrierte sich auf den Handel mit Gold, war führender Geldgeber der damals entstandenen Eisenbahngesellschaften und finanzierte den Bau des Suezkanals. Obendrein erschloss sie etliche Ölfelder und spielte bei der Gründung des Diamanten-Imperiums De Beers die zentrale Rolle. Für Aufsehen sorgte, dass die Finanzgruppe so wie die Rockefellers auch bei der Gründung der US-Notenbank Federal Reserve die Finger im Spiel hatte.

Boss unter Cousins

Heute steht David Rockefeller Sr., laut "Forbes" mit 2,5 Milliarden Dollar auf Rang 491 der reichsten Menschen, dem US-Clan vor. Die 21 noch lebenden Angehörigen der vierten Generation - sie werden als "The Cousins" bezeichnet - sind der harte Kern der aus rund 150 Rockefellers bestehenden Dynastie. Ihr kumuliertes Vermögen ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Alle Geldfragen werden seit Jahrzehnten im "Room 5600", dem im New Yorker GE-Building untergebrachten Familienbüro, bei ritualisierten Familientreffen gefällt. Zwei Mal pro Jahr, im Juni und Dezember, marschieren im "Playhouse" in Pocantico Hills (Bundesstaat New York) alle Familienmitglieder auf, um dem greisen Clanchef die Aufwartung zu machen. Auch wenn sein gleichnamiger 71-jähriger Sohn eine lange Liste von Funktionen ausübt, dominiert der legendäre Greis dabei das Geschehen.

Heute tritt der Sammler zeitgenössischer Kunst, der auch eine eindrucksvolle Kollektion rarer Insekten besitzt, primär als Philanthrop auf, doch seine glanzvolle Vergangenheit ist nicht vergessen: David Rockefeller, mehr als 20 Jahre Boss der Chase Manhattan, wurde als "Weltbankier" verehrt und hatte hochkarätigen Einfluss auf die Politik, etwa als Berater mehrerer US-Präsidenten. Er war regelmäßiger Teilnehmer an den Bilderberg-Konferenzen, Mitbegründer der sogenannten Trilateralen Kommission, einem gerne von Verschwörungstheorien umrankten Gremium mächtiger Zeitgenossen, sowie langjähriger Präsident und Ehrendirektor des Council on Foreign Relations, einer Diskussionsplattform von Wirtschaftskapitänen und Staatsmännern aus den USA und Europa. Der begnadete Netzwerker stand John F. Kennedy oder Henry Kissinger ebenso nahe wie Bill Clinton und unterhielt auch zu ideologischen Alternativen wie Fidel Castro, Michail Gorbatschow oder Saddam Hussein enge Kontakte.

Der Lord scheut kein Risiko

Bei den Rothschilds ist wegen des verästelten Stammbaums alles komplizierter: Die Familienmitglieder der sechsten bis achten Generation sind oder waren nur teilweise Bankiers. Auch Zeitungsmagnaten, Künstler, Zoologen, Journalisten, Ökologen, Literaturwissenschafter, Mathematiker oder Winzer finden sich - abgesehen von den berühmten französischen Weingütern wie Chateau Lafite oder Chateau Rothschild gehören ihnen ausgedehnte Anbauflächen in Nord- und Südamerika, Südafrika und Australien. Ihr in mehreren Ländern aktives, undurchschaubares Firmenimperium wird von mehreren Chefs beherrscht.

David de Rothschild (69) fungiert als Chairman der britisch-französischen Bankengruppe, zu der die auf Firmenübernahmen spezialisierte NM Rothschild & Sons in London sowie die Rothschild & Cie Banque in Paris zählen. Beide agieren seit 2003 unter einem Holdingdach namens Paris Orleans S.A., der Eric de Rothschild (71), ein Cousin von David, als Aufsichtsratsvorsitzender vorsteht. Die Gruppe, die nach der Verstaatlichung der früheren Banque Rothschild in der Ära Mitterrand an den Start ging, unterhält 58 Büros in 45 Staaten und hat rund 3000 Beschäftigte.

Die 1963 etablierte Edmond de Rothschild Group in Genf wiederum, auf Venture Capital, Private Banking und Assetmanagement spezialisiert, wird von Baron Benjamin de Rothschild geleitet. Sie ist an der Banque Privée Edmond de Rothschild S.A. oder der Compagnie Financière Saint-Honoré beteiligt, agiert mit 2700 Mitarbeitern in 17 Ländern und verwaltet 100 Milliarden Euro. Überdies besitzt dieser Zweig der Familie jede Menge Foundations, Hotel und Restaurants sowie landwirtschaftliche Güter. Das Privatvermögen des 49-jährigen Benjamin wurde vom Schweizer Magazin "Bilanz" auf zwei Milliarden Euro geschätzt, womit er unter den 50 reichsten Schweizern liegt.

Lord Jacob Rothschild (76), Chairman von RIT Capital Partners, gilt als die graue Eminenz: Er residiert im berühmten Londoner Spencer House, einem prachtvollen Aristo-Stadtpalast aus dem 18. Jahrhundert. Das Unternehmen kontrolliert er seit 1980 alleine, nachdem er sich mit dem Bankchef Evelyn Rothschild überworfen und das Finanzinstitut als Präsident verlassen hatte. Die RIT, an der seine Family rund 20 Prozent hält, konnte ihren Nettovermögenswert seither auf rund zwei Milliarden Pfund versechsfachen und überstand auch die Krise dank ihres breit gestreuten Investportfolios ziemlich unbeschadet. Zum Portfolio gehören etwa Beteiligungen am Bergbauimperium Rio Tinto sowie am US-Private-Equity-Riesen Blackstone, der den Ruf genießt, eine der wildesten US-Heuschrecken zu sein.

Jacob Rothschild gilt als steinreich, sein Vermögen kann nicht einmal "Forbes" schätzen. Der Lord kann entspannt in die Zukunft blicken: Sein 41-jähriger Sohn Nathaniel Philip - kurz "Nat" - ist rechtzeitig vom Playboy zum Businessman mutiert und steht als Nachfolger bereit. Der Junior hat auf eigene Faust spektakuläre Aktien-Coups durchgezogen und sich an der Zink- und Kupfer-Gruppe Glencore sowie am russischen Alukonzern Rusal von Oleg Deripaska beteiligt. Die "Sunday Times" traut ihm umgerechnet 1,3 Milliarden Euro Vermögen zu.

Zur Person: David Rockefeller Sr.
Geboren am 12. Juni 1915, verwitwet, 6 Kinder, 10 Enkel.
Nationalität: Amerikaner
Beruf: Banker & Polit-Berater
Karriere: 1946 bis 1981 Chase Manhattan Bank, anfangs Assistant Manager, zuletzt Chairman und CEO; Berater zahlreicher US-Präsidenten - von Eisenhower bis Clinton. Exzellenter Netzwerker mit Kontakten zu Kennedy, Kissinger oder Carter. Zahlreiche Funktionen in Non-Profit-Organisationen.
Familie: Großvater John D. Rockefeller (1839 bis 1937) war als Ölmagnat (Standard Oil) reichster Mann der Welt. Vater John Jr. wurde größter Immobilienbesitzer New Yorks.
Nach dem Tod seiner vier Brüder fungiert er als Familienoberhaupt und Boss des 1940 etablierten Rockefeller Brothers Fund sowie der 1967 gegründeten philanthropischen Institution Rockefeller Family Fund. 1989 wurde das Rockefeller Center New York an Mitsubishi Real Estate verkauft. 2002 erschien die Autobiographie "Memoirs". Sein Vermögen wird auf 2,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der älteste Sohn David Jr. ist Chairman von Rockefeller Financial Services.

Zur Person: Jacob Rothschild
Geboren am 29. April 1936, verheiratet, 4 Kinder.
Nationalität: Brite
Beruf: Banker
Karriere: bis 1980 NM Rothschild & Sons, 1980 Gründung J Rothschild Assurance (jetzt St. James’s Place Bank), heute Chairman RIT Capital Partners und Chairman J Rothschild Capital Management.
Familie: Lord Rothschild folgt in siebenter Generation auf Mayer Amschel Rothschild, dem Begründer der Bankiers-Dynastie, der zehn Kinder hatte: Der älteste Sohn Amschel Mayer übernahm die Leitung des Frankfurter Bankhauses M. A. Rothschild & Söhne; dessen Bruder war Begründer der österreichischen Linie, die für die Creditanstalt stand; Nathan Mayer wanderte 1799 nach England aus, wo er die Bank N.M. Rothschild & Sons gründete; Jakob, der Jüngste, ging nach Paris und etablierte dort Rothschild Frères. Heute kontrollieren die diversen Familienzweige mehrere Finanzgruppen: etwa die Paris-Orléans SA., die in der Schweiz beheimatete Groupe LCF Rothschild sowie die RIT Capital Partners und die NM Rothschild & Sons Ltd. in London.